Lloyd-Dynamo-Werke im Museum


 

Das Übersee-Museum eröffnet seine "Zukunftswerkstatt" und die Lloyd-Dynamo-Werke gucken optimistisch nach vorn


 

In einer kleinen Nische des Übersee-Museums wickelt Ulrich Wodarg von den Lloyd-Dynamowerken(LDW) einen Gleichstrom-Anker. Ganz real, man kann ihm zugucken. Soll man sogar – wir sind ja im Museum. Also ab in die Rumpelkammer der Geschichte mit dem Pleitebetrieb LDW? Aber "keineswegs", sagt dynamisch Hartmut Roder, Leiter der Übersee-Abteilung "Bremen – Handelsstadt am Fluß": "Bremen ist kein Mausoleum!". Und sein Museum soll es auch nicht sein. In der neueingerichteten "Zukunftswerkstatt"– oben im zweiten Stock zwischen einem Riesenammonit und einem LKW Marke "Goliath"– soll man von nun an auf 60 qm dem "Strukturwandel made in Bremen" zuschauen.

 

Doch noch haperts' bißchen an Hartmut Roders Traum von einer musealen Kommunikation der Welt in Realzeit. Als die Fernsehkameras erlöschen, läßt auch Ulrich Wodarg die Arme sinken. Seine kleine Turbine wird wohl nachher wieder abgewickelt – „mir fehlen hier die Meßinstrumente“. Die Dynamowerke wollen trotzdem Leben in die Bude bringen. Geschäftsfreunde werde man herlotsen, so Berthold Groeneveld, Geschäftsführer der LDW, und der Betriebsrat will seine Sitzungen auch mal im Museums abhalten.
Ratlose Besucher der "Zukunftswerkstatt", die mit dieser Ausstellung ihre Eröffnung feiert, mögen sich also trösten. Aus den Schautafeln wird zwar nicht immer klar, wo die Reise hingeht, fest aber steht: die Dynamowerke leben! Von vielen Seiten sei sie schon „totgeredet worden“, so der Betriebsratsvorsitzende der LDW, Günter Grotheer, "jetzt aber sind wir wieder da und können endlich auch als freie Unternehmer auftreten". Wir! Keine Frage, die LDW-Belegschaft zeigt heute Corporate Identity. Nicht zuletzt wohl, weil der Betriebsrat an der Sanierung seiner LDW maßgeblich mit beteiligt war: „Wir waren es, die die Gruppenfertigung im Betrieb vorangetrieben haben. Längst bevor die Betriebsleitung – das war damals noch unter der AEG – das Thema diskutierte“, sagt Betriebsrat Peter Müller. Heute gibt es in der AEG nur noch schlanke Hierarchien; ohne Vorarbeiter und mit Meistern, die nicht mehr "Meister", sondern „Trainer" heißen. Das sei im Sanierungsprozesses 1996 dann einer der Rettungsanker gewesen, so Grotheer: Als die Unternehmensberater von Roland Berger kamen, hätten sie gesagt: „Schließen – oder Umstellung auf Gruppenfertigung". Nicht immer nur zur Freude der Mitarbeiter. "Der Spaß ist begrenzt", sagt Peter Müller; durch die Entlassungen seien im Betrieb Leistungsträger abgebaut worden, die Dynamowerker müssen heute selbstständiger arbeiten. Und gleichzeitig zieht man auf dem Werksgelände auch noch um – damit das 44.000 qm große Filetstück im Norden zum Verkauf frei wird.
30 Millionen Mark wurden in die Sanierung des Betriebs investiert. Seit Anfang 1996 wurde die Belegschaft von 650 auf 320 Mitarbeiter halbiert, "nennenswert schrumpfen können wir jetzt nicht mehr", sagt Berthold Groeneveld. Selbst neun Lehrlinge hat der Betriebsrat für September durchsetzen können. Für dieses Jahr rechnet man noch mit einem Ergebnis um die ein bis zwei Mio unter Null. Aber ab 1998 werde man dann wieder schwarze Zahlen schreiben, hofft Groeneveld.
Neben der traditionellen Einzelfabrikation von Großmaschinen – für Fähren, Kräne, Windanlagen – hat die LDW heute den Dienstleistungsbereich für sich entdeckt. Die Instandhaltung wurde zusammen mit dem "Institut Technik und Bildung"(ITB) der Bremer Uni ein eigenständiger Bereich. „Heute reparieren wir alles, was sich dreht", so Manfred Skiebe, der maßgeblich an der Umstrukturierung des Betriebs beteiligt war. Inzwischen verkauft er für die Dynamowerke mittelständischen Betrieben Know how über Normbestimmungen und Standardisierung. "Längerfristig", so prognostiziert Skiebe, "wird sich der Betrieb von der Einzelfertigung hin zum Blaupausentransfer und zur Normung orientieren". Bis dahin ist der Weg noch weit – zumindest aus beschäftigungspolitischer Perspektive: im Bereich der "Normung" stehen gerade mal anderthalb Arbeitskräfte in Lohn und Brot.
ritz

 

Quelle: Bericht in der taz